Schuhschachtel
Wir Menschen lieben Schubladen. Einmal beschriftet, ist es schwer, den Aufkleber wieder abzuknibbeln.
Da steht er: der Subaru Libero. Abgegriffen, kantig, winzig – und doch irgendwie sympathisch. Fast schon kultig, wie ein Guilty Pleasure. Lange Zeit hatte ich diese Art von Minivans einfach in die Schublade Microvan gesteckt.

„Das ist das Kidnapper-Auto“, sagt mein Kollege und zeigt lachend auf den weißen Kasten, der am indischen Straßenrand parkt. Seit diesem Moment sehe ich die grotesken Kleintransporter mit anderen Augen. Der rote Flitzer vor mir ist zwar kein klassischer Maruti Omni – jenes Modell, das es dank Bollywood-Filmen zu einer eher unrühmlichen Berühmtheit als Kidnapper-Auto gebracht hat. Doch das Schlagwort haftet, wie ein mit Gaffertape überklebtes Etikett: Kidnapper.

Und nun steht er hier, auf dem Parkplatz der Waldorfschule. So unschuldig, fast schon verschämt an die Hecke geschmiegt. Hoffentlich wurde mit diesem Relikt aus den 90ern noch niemand gekidnappt. Nimmt man sich die Zeit, fällt der Schriftzug Superdeluxe ins Auge – nicht wirklich zeitlos, eher wie ein verzweifelter Versuch, ein auf Pragmatismus ausgelegtes Fahrzeug aufzuhübschen.

So wie er dort in seiner Ecke auf dem Schotterparkplatz steht, wirkt der Libero mehr wie eine Zeitkapsel. Ein Blick durch das Seitenfenster bestätigt es:

Auf dem Armaturenbrett liegt eine Audiokassette. Sofort kommen Erinnerungen hoch – an Mixtapes, an unzählige Stunden vorm Radio, an den Kampf gegen Bandsalat, wenn man mit dem Bleistift das Band wieder aufspulen musste. Daneben tickt eine unscheinbare, analoge Uhr. Zeitlos, unaufgeregt, fast schon beruhigend.

Es ist fast schade, dass Popkultur und Bollywood unsere Wahrnehmung so stark prägen. So wird aus einem kleinen, schrulligen Kastenwagen ein Symbol, das mehr mit Projektionen zu tun hat als mit Realität.